Bourdieu als SF-Generator
- Eine Analyse von Jack Vances
„Die Mondmotte“ und „Die Kriegssprachen von Pao“
anhand Pierre Bourdieus Kapitalientheorie
"Literarische Science-Fiction“
angefertigt im Hauptfach Neue Deutsche Literaturwissenschaft
von Cornelia Gliem, Matrikelnummer: 6418562
Textauszug
GLIEDERUNG
1. Einleitung
2. Science Fiction
2.1. Konfusion der Zugehörigkeit
2.2. Das Triviale - Verteidigung eines Stiefkindes
2.3. Die Möglichkeiten der S. F.
3. Klärung der von Bourdieu verwendeten Begriffe
3.1. Kapitalien
3.2. Feld
3.2.1. Das literarische Feld
3.3. Habitus
3.3.1. Der Habitus des Autors
3.4. illusio
4. Einordnung von Jack Vance und dessen Werk
4.1. Jack Vance‘ Werdegang
4.2. Vance‘ Stellung im S.F.-Genre
4.3. Jack Vance‘ Habitus
4.4. Kunst, Künstler und das Schreiben
5. Interpretation von Die Mondmotte und Kriegssprachen von Pao
5.1. Die Mondmotte
5.2. Die Kriegssprachen von Pao
6.1. Draußen und Drinnen
6.1. Von Vance zur Vance‘ Geschichte
6.2. Aus der Realität (Faktion) zur konzeptierten Welt (Fiktion) 6.2.1. Dichter lügen nicht
6.2.2. Oft ist Literatur wirklicher als die Realität
7. Resümee
1. Einleitung
Er schuf etwas aus dem Nichts und machte das Nicht-Seiende zu etwas Seiendem; und er formte große Säulen aus nicht fühlbarer Luft. Das ist das Zeichen: Er sah,
sprach und ließ die gesamte Schöpfung und alle Dinge aus einem einzigen Namen entstehen.
aus: Sefer Jezira, das Buch der Schöpfung
Klar, ich hätte auch das klassischere (banalerer?) ‚Am Anfang war das Wort‘ wählen können, aber ich wollte die ursprüngliche Abstraktheit dieser semiologischen Idee
betonen, ohne gleich zu viele religiöse Assoziationen zu wecken. Aber habe ich damit nicht schon an Beginn dieser Hausarbeit den Boden der Realität, der Sachlichkeit verlassen? Die Angemessenheit
der normalen Grundlagen einer literaturwissenschaftlichen Untersuchung verletzt?
Mag sein, dass ich ähnlich wie andere, bessere Apologeten der Science Fiction einfach nur ein paar edle Ahnen verleihen will. Im folgenden Text möchte ich aber
darlegen, dass gerade Science Fiction tatsächlich für mehr als nur Unterhaltung stehen kann (wobei dieses ‚nur‘ natürlich bei aller guten Absicht schon taxonomisch ist).
Wie kommt man nun darauf, soziologische Kategorien auf Literatur, in diesem Falle fiktionale Werke anzuwenden? Eine Soziologie der Literatur ist so neu ja
nicht mehr, die Literatursoziologie beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem gesamten Spektrum der Literaturberufe, hat dabei der Produktion- und der Rezepienten-Ästhetik grundlegende
Daten geliefert bzw. sie erst ermöglicht. Auch wurden literarische Werke im Rahmen (literatur)-geschichtlicher Untersuchungen oft als Ausdruck der Gesellschaft ihrer Entstehung und des Autors
verstanden, zumeist in relativ leichtsinniger Gleichsetzungen von Werk, Autor und Zeit.
Der französische Wissenschaftler Pierre Bourdieu bezog seine Begriffe Kapital und Feld auch auf die Literatur , indem er das Verhältnis von Autor und Verleger
im sog. Literarischen Feld fasste. In dieser Hinsicht ist er zur allgemeinen Literatursoziologie zu rechnen, er nimmt mit dem Begriff des Habitus allerdings eine mittlere Position zwischen den
Polen der Determination des Werks durch Gesellschaft, Biographie und Autorenwille und der rein werkimmanenten Interpretation ein. Darüber hinaus wandte Bourdieu sein Instrumentarium
konkret auf die fiktionale Welt von Gustave Flauberts Erziehung des Herzens an.
Mir persönlich wurde bei der Lektüre von Pierre Bourdieu, Norbert Elias oder auch Arnold Toynbee bewusst, wie gut sich ihre Untersuchungen und Ergebnisse für die
kreative Leistung von Schriftstellern verwenden ließen, was für eine unermessliche Fundgrube die Details ihrer Werke für Weltenschöpfer darstellen.
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